Der Gender-Gap bleibt seit Jahren präsent in verschiedenen Ebenen der Wissenschaft, vor allem in MINT-Disziplinen. Obwohl Frauen große Fortschritte gemacht haben, um ihre Präsenz im Hochschulwesen zu erhöhen, sind sie in vielen Feldern immer noch unterrepräsentiert. Jedes Jahr am 11. Februar findet daher der Internationale Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft statt. Von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen, soll dieser Tag darauf aufmerksam machen, dass weltweit nur ein Drittel aller Forscher*innen Frauen sind und der Zugang zu Bildung und Technologien für Mädchen und Frauen besser ermöglicht und gefördert werden muss.1
Zahlen an der Leibniz Universität Hannover
Trotz der gesetzlich verankerten Gleichstellung der Geschlechter, sind an der Leibniz Universität Hannover geschlechtsspezifische Unterschiede deutlich. Pauschal nimmt der Anteil von Frauen mit steigender wissenschaftlicher Karrierestufe ab. So entsteht visuell eine Schere (siehe Abb. 1). Die Differenz der Geschlechteranteile ist bei Professuren der Besoldungsstufe C4/W3 mit einem 77 prozentigem Männeranteil am größten.



Genauso wie im bundesweiten Durchschnitt, ist der Frauenanteil in den MINT-Disziplinen an der LUH ebenfalls niedrig. Der Professorinnenanteil der Fakultäten ist über die Jahre in Bewegung. So ist an der naturwissenschaftlichen sowie wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät eine deutliche Zunahme zu erkennen. In den klassischen MINT-Bereichen ist der Anteil an Professorinnen deutlich geringer.



Gender Bias in der Wissenschaft
Es gibt viele Gründe, warum Frauen in der Wissenschaft nicht so stark präsent sind. So können verinnerlichte Stereotype eine entscheidende Rolle spielen. Laut einer Studie überschneiden sich Attribute, die häufig Männern zugeschrieben werden stark mit den Attributen für Wissenschaftler*innen (z.B. „analytisch“ oder „kompetitiv“). Im Vergleich dazu ähneln Stereotype über Frauen (z.B. „empathisch“ oder „unterstützend“) kaum denen über Wissenschaftler*innen.2 Der Gender Gap oder der Gender Bias wird auch in anderen Studien deutlich:
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Gender Publication Gap
- Männliche Wissenschaftler veröffentlichen im Laufe ihrer Karriere im Durchschnitt 13,2 Artikel, während weiblichen Wissenschaftlerinnen nur 9,6 Artikel veröffentlichen. Die Differenz der Produktivität beträgt 27%.
- Männer werden 30% öfter zitiert.
- Dazu wurden 1.5 Millionen Autor*innen in 83 Ländern und 13 Disziplinen analysiert.3
3 HUANG, J. & GATES, A. J. & Barabási, A.-L., 2020: Historical comparison of gender inequality in scientific careers across countries and disciplines. Proceedings of the National Academy of Sciences 117 (9): 4609-4616. https://www.pnas.org/doi/full/10.1073/pnas.1914221117
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Collaboration Bias
- Männliche Wissenschaftler tendieren dazu nur mit anderen männlichen Wissenschaftlern zusammenzuarbeiten. Die meisten weiblichen Wissenschaftlerinnen kollaborieren gar nicht mit anderen Frauen.
- Analysiert wurde die internationale Zusammenarbeit aller sichtbar polnischen Professor*innen basierend auf deren Scopus-indexed Veröffentlichungen von 2009-2018 (158.743 Artikel)4
4 WIEK, M. & ROSZKA, W., 2021: Gender-based homophily in research: A large-scale study of man-woman collaboration. Journal of Informetrics 15 (3). https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1751157721000420?via%3Dihub
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Prove-It-Again Bias
- Damit Frauen als genauso kompetent wie ihre Kollegen gesehen werden, müssen sie sich mehr beweisen als Männer.
- Schwarze Frauen sind von dem Bias noch stärker betroffen als weiße.5
5 WILLIAMS, J. C., 2014: Double Jeopardy? An Empirical Study with Implications for the Debates over Implicit Bias and Intersectionality. Harv. J.L. & Gender 185 (37). https://repository.uclawsf.edu/faculty_scholarship/1278/
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Intersektionalität
Intersektionalität beschreibt das Zusammenwirken mehrerer Unterdrückungsmechanismen und Diskriminierungen: z.B. Rassismus, Klassismus, Homo- und Transfeindlichkeit, Behindertenfeindlichkeit und Sexismus. Frauen of Color erleben eine mehrfache Diskriminierung und sind daher noch unterrepräsentierter als weiße Frauen in der Wissenschaft. Aus dem Jahresreport 2019 der U.S. Equal Opportunity Commission geht hervor, dass der Großteil der Frauen, die im MINT-Bereich arbeiten, weiß sind (66,02 %).6 Die Bildungschancen für Kinder mit Zuwanderungsgeschichte in Deutschland sind generell geringer als für andere Kinder. Von Studierenden mit Migrationshintergrund, die das deutsche Schulsystem erfolgreich durchlaufen, haben im Absolventenjahr 2020 42 % ihr Bachelorstudium abgebrochen. Bei Studierenden mit deutscher Staatsangehörigkeit lag der Anteil nur bei 28%. 7
Weitere Informationen zur Intersektionalität im MINT-Bereich sind hier zu finden (eng): Intersectionality in STEM.
6 U.S. EQUAL EMPLOYMENT OPPORTUNITY COMMISSION, o. J.: Special Topics Annual Report: Women in STEM. Supplement to the US Equal Employment Opportunity's Annual Report on the Federal Workforce Fiscal Year 2019. Aufgerufen am: 05.02.2025, https://www.eeoc.gov/special-topics-annual-report-women-stem#_Toc97287809
7 SACHVERSTÄNDIGENRAT FÜR INTEGRATION UND MIGRATION, 2024: Ungleiche Bildungschancen Fakten zur Benachteiligung von jungen Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem. Berlin. https://www.svr-migration.de/wp-content/uploads/2023/02/Kurz-und-buendig_Bildung_2024.pdf
1 VEREINTE NATIONEN, o. J.: Erklärung zum Internationalen Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft, 11. Februar. Aufgerufen am: 05.02.2025, https://unric.org/de/11022020-frauen-wissenschaft/
2 CARLI, L. L. et al., 2016: Stereotypes About Gender and Science: Women ≠ Scientists. Psychology of Women Quarterly 40 (2): 244-260. https://doi.org/10.1177/0361684315622645
Aktionen & Angebote der letzten Jahre
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Internationaler Tag der Frauen & Mädchen in der Wissenschaft, 2024
Jedes Jahr am 11. Februar findet der Tag der Frauen in der Wissenschaft statt. Von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen, soll dieser Tag darauf aufmerksam machen, dass weltweit nur ein Drittel aller Forscher*innen Frauen sind und der Zugang zu Bildung und Technologien für Mädchen und Frauen besser ermöglicht und gefördert werden sollte.
Auch an der Leibniz Universität Hannover spiegeln sich diese Zahlen wider: Im Wissenschaftsbereich sind 32 % Promovendinnen, 35 % Postdoktorandinnen und 36 % Wissenschaftlerinnen auf unbefristeten Stellen tätig. Auf der Ebene der Professuren wird das Ungleichgewicht noch deutlicher. Hier sind lediglich 27 % Professuren durch Frauen besetzt.
Weibliche Vorbilder gibt es viele, beispielsweise die Astronomin Caroline Herschel oder Ilse ter Meer, eine der ersten deutschen Maschinenbau-Ingenieurinnen, die an der Technischen Hochschule Hannover studiert hat. Aber an der Leibniz Universität Hannover gibt es noch weitere interessante Wissenschaftlerinnen, die mit Leidenschaft forschen und mit ihren Erkenntnissen die Wissenschaft voranbringen. Sie wollen anderen Frauen und Mädchen nahelegen, ihren Weg in die Forschung zu finden und sie stärken diesen konsequent zu gehen.